Ahnen- und Familienforschung Vog(e)lgsang
als 1764 einfach das "e" verschwand

Grüß Gott auf evangelisch

Ein Voglgsang und evangelisch; wie kann das sein?

Während die väterlichen Voglgsang/Lindermayr Vorfahren und die mütterlichen Meier´ Vorfahren durchgängig katholisch waren, hat sich bei mir eine evangelische mütterlich-großmütterliche Vorfahrenlinie über die Familie Köhnlechner (Geburtsname meiner Urgroßmutter, Karolina Köhnlecher, mütterlicherseits) durchgesetzt.

Der evangelische Weg über meine Mutter, Eva Meier, meine Großmutter Rosina Wiesbauer (verh. Meier) und meine Ur-Großmutter, Karolina Köhnlechner (verh. Wiesbauer) führte mich zurück bis nach Sankt Peter in der Au in den Ortsteil Sankt Michael am Bruckbach in Niederösterreich:

  1.  Robert Voglgsang, München
  2.  Eva Meier, verh. Voglgsang, München
  3. Rosa Wiesbauer, verh. Meier, München 
  4.  Karolina Köhnlechner (1889-1972), verh. Wiesbauer, Wasserburg am Inn
  5.  August Heinrich Köhnlechner (1860-1939), Schopfloch (Ansbach) Ortsteil Deuenbach
  6.  Johann Georg Köhnlechner (1811-1878), Dinkelsbühl Ortsteil Weidelbach
  7.  Johann Leonhard Köhnlechner (1785-   ), Feuchtwangen Ortsteil Aichenzell
  8.  Johann Jakob Köhnlechner (1750-1809), Feuchtwangen Ortsteil Heiligenkreuz (ehemals Ziegenberg)
  9.  Andreas Köhnlechner (1719-1795), Feuchtwangen Ortsteil Höfstetten
  10.  Jacob Köhnlechner (1667-1739), Feuchtwangen Ortsteil Mögersbronn
  11. Hanß Kellechner (ca. 1628-1701), Sankt Peter in der Au Ortsteil Sankt Michael am Bruckbach/Niederösterreich (Mostviertel)

Ich bin also zu 1/4 ein evangelisch-österreichischer Exulant.

Zunächst habe ich mich mit dem Familiennamen Köhnlechner beschäftigt und versucht die Herkunft dieses Familiennamens zu erforschen. In den Kirchenbuchmatrikeln der Pfarreien in und um Feuchtwangen (Feuchtwangen, Larrieden, Mosbach; vgl. hierzu auch http://geschichte-feuchtwangen.de/Archiv/Kirchenbuch/Legende.htm) wird der Name Köhnlechner verschiedentlich geschrieben. Hierbei kommen Varianten wie Köhllechner, Köllechner, Kölöhener, Kehllechner, Kehllehner, Kelöner oder Kelegner vor.  

Es war daher naheliegend, dass sich der Familienname Köhnlechner erst mit dieser Schreibweise in Feuchtwangen entwickelt hatte. Aber was war nun der Namensursprung? Die Endung -lechner oder -lehner deutete auf ein Lehen hin. Und das wiederum schien dann ein Haus- oder Örtlichkeitsname zu sein und nicht wie ursprünglich von mir gedacht eine Berufsbezeichnung für einen Köhler oder Köbler. Der Hinweis eines Trauungseintrags im Kirchenmatrikel der Pfarrei Feuchtwangen aus dem Jahre 1659 von Hanns Kehllechner mit Maria Schaufler brachte unter unglaublich netter, hilfsbereiter und kompetenter Unterstützung des Kustos des Gemeindearchivs, Herrn Magister Daniel Brandstetter (vielen herzlichen Dank nochmals!!!!) in St. Peter in der Au, den Durchbruch.  

Trauungseintrag Hanß Kehllechner 1659

Trauungseintrag Hanß Kehllehner 1659

Herr Magister Daniel Brandstetter schrieb mir auf eine Anfrage:

"Der von ihnen angegebene Name Köhllechner ist mir unbekannt, aber ihre Anmerkung "-lehner" hat mich heute morgen in ihrer Angelegenheit weitergebracht - eine Geistesblitz sozusagen -:)

Die heutige Gemeinde St. Peter in der Au besteht aus mehreren Ortsteilen, darunter der Teil "St. Michael am Bruckbach". Von 1848 bis 1970 eine eigene politische Gemeinde, aber noch immer eine eigene Pfarre (die Matriken finden Sie im Internet unter Matricula - Diözese St. Pölten). In diesem Ortsteil gibt es ein Haus mit dem Hausnamen "Kehllehen". Der Ortsteil ist gut erforscht, es gibt ein Buch mit knapp 400 Seiten, in dem alle Häuser ausführlich beschrieben werden. Ich habe ihnen das Haus Nr. 101 gescannt. Um 1540 gehörte es einem gewissen "Hanns am oberen Kellechen".  

Oberkellehen
Hanss am obern Kellechen (Oberkellehen) - um 1540

Hanss am obern Kellechen - um 1540

Zu dieser Zeit gab es noch keine Gemeinden und so schließt sich der Kreis: das Haus gehörte zur Herrschaft (=Schloss) St. Peter in der Au, das damals im Besitz der protestantischen Familie "Seemann von Mangern" (ursprünglich aus Bayern!!!, siehe Wikipedia unter http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Seemann_%28Domherr%29) war. Das entsprechende Urbar (Besitzrechtsverzeichnis) aus dem Jahre 1523 sollte ich im Gemeindearchiv haben.

Es gibt auch noch ein Haus namens "Kehllehenmühle", das zur Unterscheidung zum anderen Haus "Unterkellehen" genannt wird.

Kellehen in St. Michael am Bruckbach

Kellehen in Sankt Michael am Bruckbach

Quelle: http://mapire.eu/en/map/cadastral/?bbox=1625167.1545452068%2C6106445.11031157%2C1627078.080252336%2C6107247.699108563&layers=osm%2C43%2C44, Stand: 26.12.2017

Somit hat sich der Familienname von Hans Köhllechner (= Kellehner) bei uns bis heute als Hausname erhalten. Dies geschah oft und es kommt auch heute noch vor, dass man ein Haus nach seinem ehemaligen Besitzer benennt, obwohl dieser schon lange nicht mehr am Haus wohnt oder bereits verstorben ist....

Mit dem Namen könnte es auch so gewesen sein: Das Haus/Gut trug den Namen "Kellehen", der Namensteil "lehen" deutet darauf hin, dass das Gut vom Grundherrn (= Besitzer des Schlosses St. Peter in der Au) an einen untertänigen Bauern verliehen wurde. Aus dem Hausnamen wurde dann ein Familienname - kommt bei uns auch oft vor. Einfache Bauern hatten früher wohl gar keinen eigenen Familiennamen.

Zur Nennung des Namens:

Erste urkundliche Erwähnung im Jahr 1316 als "Chelblehen" in "Annotatio predii in Sancto Petro" - das ist das erste detaillierte Urbar über die Herrschaft St. Peter in der Au. Die Herrschaft gehörte damals den Bischöfen von Freising und war an die Landesfürsten (= Babenberger) verpfändet. Im Schloss St. Peter wohnte quasi deren Verwalter.

Urbar 1316 - Chelblehen

Chelblehen im Urbar der Herrschaft St. Peter in der Au im Jahre 1316

Im Urbar der Herrschaft St. Peter aus dem Jahr 1587 (Schloss- und Herrschaftsbesitzer: Familie Seemann) wird ein "Thoman am obern Khallechen" genannt.  

Thoman am obern Khallechen

Thoman am obern Khallechen - Urbar 1587

So wurde aus dem Namen Chelblehen - Khallechen - Kellechen - Köhllechner dann Köhnlechner."

Aber was war denn nun wieder ein Khel- oder Chelb-?

Hier hat dann wieder Herr Brandstetter über seinen ehemaligen Deutschprofessor Prof. Dr. Karl Heinz Huber weitergeholfen (auch an dieser Stelle nochmal ein herzliches Dankeschön für die tolle Unterstützung und Hilfsbereitschaft):

"In Matthias Lexers „Mittelhochdeutschem Taschenwörterbuch“ (29. Auflage, Berlin und Hamburg 1953, S. 105) habe ich das Wort kelhof oder kelnhof vorgefunden. Es handelt sich um ein Hofgut, das einem kelner gehört (in unserem Falle einem kelner als Lehen überlassen ist, weil wir es ja mit dem Wort Kehllehen=Khallechen=Kellechen=Köhllechen bzw. Köhllechner zu tun haben.

Wer aber ist ein kelner=kellaere,=kelnaere? In diesem Wort steckt das heute gebräuchliche Wort Keller. Der kelner ist ein Kellermeister, ein Verwalter der Weinberge und Weingüter bzw. der daraus gezogenen Einkünfte.

Schön wäre es,  nachweisen zu können, dass im Umkreis des Hauses kellechen Weinbau betrieben worden wäre."

Als Zwischenergebnis konnte ich also die Herkunft des Namens Köhnlechner auf das Kehllehen (Chelblehen) in St. Michael am Bruckbach der Marktgemeinde St. Peter in der Au, Bezirk Amstetten, Mostviertel, Niederösterreich, zuordnen. Heute befindet sich das Anwesen des Ober-Kelehen im Urltal unter der Adresse St. Michael-Urltal 66.

Aber wieso evangelisch?

Die Konfession musste irgendwie mit dem Landesherren zu tun haben. Wie Herr Brandstetter erwähnt hat, war der Grundherr des Kellehens (Chelblehens) der Besitzer des Schlosses St. Peter in der Au. Damals war das Schloss im Besitz der protestantischen Familie "Seemann von Mangern".

Nachforschungen ergaben, dass ein gewisser Georg Seemann von Mangern, ein Nachfahre des Regensburger Domherrn Heinrich Seemann (vgl. Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Seemann_%28Domherr%29), Mitglied einer bayerischen Adelsfamilie mit Stammsitz im Burgstall Mangern (östlich des Marktes Gerzen, Region Landshut im Vilstal und nordöstlich von Vilsbiburg) und zugleich Gründer und Förderer des Kloster Seemannshausen in der Nähe des Marktes Gangkofen, im Jahre 1537 das Schloss in St. Peter in der Au erworben hat. Nach seinem Tod im Jahre 1564 hat sein Sohn, Wilhelm Seemann von Mangern im Jahre 1580 als Patronatsherr der Herrschaft St. Peter in der Au Hieronymus Rohrer aus der Rheinpfalz als protestantischen Prediger eingesetzt. Die Kirche in St. Peter in der Au wurde bereits 1567 (bis 1628) protestantisch und eine protestantische Schule gab es ab 1570 (zur Geschichte von St. Peter in der Au siehe auch http://www.stpeterau.info/?menu=62&lang=1).

Mit dem Kauf der Herrschaft St. Peter in der Au im Jahre 1586 durch Wilhelm Seemann von Mangern von Kaiser Rudol II. wurden höchstwahrscheinlich auch das dem Grundherrn gehörige Kellehen (Chelblehen) in St. Michael am Bruckbach protestantisch und damit auch die Kehllehner (Köhnlechner).

Kann das heute als Glücksfall für mich gelten, gelangte der Wilhelm Seemann von Mangern zur damaligen Zeit zu unrühmlicher Bekanntheit. Als "Bauernschänder" ging er in die Geschichte ein, da er die bis dato geltenden urbaren Gerechtigkeiten einschränkte und eigene Steuern und Abgaben zusätzlich einführte. Neben bereits allgemein vorherrschenden Unruhen in der Bauernschaft, aus denen 1596/97 der Niederösterreichische Bauernaufstand hervor ging, führte ein von Michael Peer (Beer) angeführtes Bauernheer dazu, dass man das Schloss St. Peter in der Au stürmte, den Besitzer Wilhelm Seemann von Mangern und dessen Tochter gefangen nahm und drei Wochen lang einsperrte.

Michael Peer fand 1597 durch Hinrichtung seinen Tod und Wilhelm Seemann von Mangern seine Vergeltung. Die Bauern in St. Peter in der Au leisten ab 1597 anschließend jährlich 250 Jahre lang bis zur Abschaffung 1848 Abbitte für ihre Belagerungstat.

Als nach dem Tod von Wilhelm Seemann von Mangern im Jahre 1621 dessen Schwiegersohn, Georg Achaz II. Graf von Losenstein zu Gschwendt und Losensteinleithenals (1597-1653), als neuer Schlossherr im Jahre 1626 wieder zum katholischen Glauben konvertiert, geht es auch mit der protestantischen Konfession zu Ende. In Folge wird 1627 der protestantische Prediger Hieronimus Rohrer ausgewiesen und 1651 gab es nach der Gegenreformation nur noch einen protestantischen Ratsbürger.

Als der noch protestantisch getaufte Hanss Kellechner ca. 1628 in St. Michael am Bruckbach geboren wird, ist durch die Gegenreformation und die Konvertierung des Landesherren bereits der Protestantismus dem Ende geweiht. Vielleicht mögen es für Hanß Kellehner (Köhnlechner) religöse, vielleicht aber auch wirtschaftliche Gründe gewesen sein, die ihn bewegt haben vor 1651 am Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) seine Heimat St. Michael am Bruckbach als Exulant in Richtung Feuchtwangen (Franken) zu verlassen (emigrieren). Wir wissen es nicht genau. Aber dieser Schritt war ausschlaggebend, dass ich heute evangelisch-lutherischer Konfession bin. Und darauf bin ich sehr Stolz.  

Danke für Deinen Mut Hanss Kehllechner!

 

 

 

 

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